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Historie Wildgehege

historische Abbildung des Kurfürstlichen Jagdzuges

Kurfürstlicher Jagdzug anno 1611

Die Anfänge des heutigen Moritzburger Wildgeheges gehen auf ein Jagdgatter der sächsischen Kurfürsten Moritz und August im Jahre 1580 zurück, das in erster Linie die Funktion der Versorgung der kurfürstlichen Küche mit frischem Wildbret hatte.

Renaissance Jagdschloss Moritzburg um 1550

Die Wälder um Moritzburg waren schon damals reich an Schalenwild, sodass die seinerzeit bevorzugte Jagdart des Hochadels die so genannte »Eingestellte oder Teutsche Jagd« war. Diese Jagdart diente dem Erlegen großer Wildmassen und galt im 17. Jahrhundert als die klassische Jagdmethode. Bis zu tausend Stück Schalenwild konnte die Jagdstrecke an einem Tag bringen.

Seine größte jagdliche Bedeutung erlebte der »Alte Thiergarten« ab 1680, als Parforcejagden nach Vorbild der märchenhaft prunkvollen Hetzjagden am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. von Frankreich abgehalten wurden. Johann Georg IV., der Bruder August des Starken, bereiste damals Frankreich und war von der neuen Art zu jagen derart begeistert, dass diese erstmalig im »Alten Thiergarten zu Moritzburgk« durchgeführt wurde.

1694 erließ Johann Georg IV. den Befehl, den »Alten Thiergarten« in Moritzburg dann endgültig fertigzustellen. Nach dem frühen Tod von Johann Georg nutzte August der Starke im besonderen Maße den Moritzburger Tiergarten als schillernde Bühne für sich, seinen Hofstaat und die prunkvollen französischen Parforcejagden. Sein Ziel war, in allen Belangen dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. als gleichrangig zu gelten.

Darstellung der Moritzburger Parforcejagd auf Porzellan

Darstellung der Moritzburger Parforcejagd auf Porzellan

Hirschjagden »par force« - also »mit Stärke« – fanden im Moritzburger »Alten Thiergarten« im August statt. Rothirsch oder Wildsau werden dabei in der »Vorsuche« erst aufgespürt und dann auf lange Distanz mit Hunden gehetzt, denen die Reiter folgen. Die Dynamik der Jagd erforderte immerfort die Bereitstellung frischer Pferde und Hunde. Diese wurden an Relaisstationen zur Verfügung gestellt. Personeller Aufwand und Logistik waren demnach seinerzeit enorm hoch.

Wurde das ermüdete Wild zum Ende der Jagd von den Hunden gestellt, stand es nur dem Jagdherren oder einem ausgewählten Gast zu, das Tier mit dem Hirsch- oder Saufänger zu töten. Vorher musste sich jedoch ein Jäger dem gebundenen Hirsch von hinten vorsichtig nähern, um diesen mit der Jagdplaute die starken Sehnen - Hessen genannt - über den Kniegelenken der Hinterläufe durchzuschlagen. Der Hirsch brach zusammen, die Hunde packten zu und hielten ihn so lange fest, bis der Fangstoß angetragen wurde. Mit dem »Fürstenruf« auf dem Parforcehorn wurde der König herbeigerufen, den Hirsch abzufangen.
War der Hirsch in einem der vielen Moritzburger Teiche gefangen, wurde dieser vom König mit der Jagdbüchse gestreckt. Beim anschließenden »Curee« erfolgte für die Hunde die Freigabe des Hirsches, wobei das Halali geblasen wurde. Die Parforcejagd war im 18. Jahrhundert eine hohe jagdliche Kunst - dem gesellschaftlichen Stande seiner hochadligen Jäger angemessen.

barocker Hirschfänger mit Jagdszene auf Stichblatt

Der Hofstaat zeigte sich am Tag der Jagd in edlen Kostümen, reitend auf andalusischen und englischen Pferden, in deren Gefolge große weiße und schwarze Hetzhunde in Art der Molosser Begleitung fanden. Zu den Moritzburger Parforcejagden im Stil des Sonnenkönigs Ludwig XIV. demonstrierte August der Starke allen Anwesenden in erster Linie seinen Reichtum und damit die schöpferische Leistungsfähigkeit der berühmtesten sächsischen Kunsthandwerker seiner Zeit: Wertvolle Hirschfänger- und Jagdmessergarnituren, edle Radschlossbüchsen und Pistolen, Jagdgarderoben und Jagdhüte, besetzt mit Brillanten, Smaragden und Rubinen, edle Pferdegeschirre und Sättel - all das sollte das Selbstverständnis eines absolutistischen Herrschaftsanspruchs August des Starken aller Welt verdeutlichen.

Einhergehend mit den Parforcejagden erlebte Moritzburg im 18. Jahrhundert eine ausgesprochene Blütezeit in der Leithundeausbildung und -haltung. Diese hohe Schule der Moritzburger Leithundehaltung hatte als Ergebnis fährtengerechte und systematisch reingearbeitete Suchhunde, die dem Bestätigen des Feisthirsches vor der Parforcejagd galt. 1705 wurden hier am Ort 100 alte und 40 junge Hirschhunde sowie 35 alte und 15 junge Hasenhunde im Bestand der Jagdequipage verzeichnet. 20 Rüdemänner waren in Diensten zur Betreuung der Hunde angestellt. Bis zum Jahre 1716 konnte August der Starke seine Hundekoppel hier auf insgesamt 200 leichte Wind- und schwere Hetzhunde vergrößern.

Unter August dem Starken wurden durch Pöppelmann 1725 acht strahlenförmig verlaufende Schneisen im Waldgebiet »Alter Thiergarten« geschlagen, in dessen Zentrum einst ein achteckiger französischer Pavillon in Holzbauweise stand. Mit der nunmehr räumlichen Gestaltung eines Waldgebietes konnte man Hetzjagden auf Rothirsche und starke Sauen perfektionieren. Moritzburg erlebte besonders von 1717 bis 1719 und 1730 glanzvolle Parforcejagden, die an Aufwand und barockem Prunk nicht zu überbieten waren.

Nach dem Tod August des Starken wandelten sich die Jagdarten im »Alten Thiergarten« grundlegend. Jagdpersonal, Pferde und Hunde wurden drastisch reduziert. Sein Sohn Friedrich August II. pflegte die Parforcejagd als Passion und repräsentative Staatsaufgabe eher in der Gegend um Schloss Wermsdorf zu praktizieren, das sein Vater für ihn ab 1721 bauen ließ. In Moritzburg galt sein jagdliches Interesse hauptsächlich der Reiherbeize, zu der er auch gern ausländische Gäste einlud.

1772 erweckte Friedrich August III. die Moritzburger Parforcejagden und die alte sächsische Hofjägerei zu neuer Blüte. Der Jagdschneisenstern im »Alten Thiergarten« erhielt im Zentrum ein festes Gebäude aus Stein im alten französischen Stil, das so genannte Hellhaus. Jagdpersonal und Jagdzeug wurden wieder aufgestockt – mit 6.000 Talern pro Jahr (heute um 5,4 Mio. Euro): Alles sollte an den Ruhm und Glanz vergangener Tage August des Starken erinnern.

historische Darstellung des Hellhauses 1784

Das Hellhaus 1784

Mit dem Tod Friedrich August des Gerechten 1827 war jedoch der Niedergang der Moritzburger Parforcejagden im »Alten Thiergarten« endgültig. 1828 wurde die Moritzburger Jagdequipage samt Piqueuren, Hundeleuten und Jägern aufgelöst.

Pokal Moritzburger Willkommen

Bescheidenere, kostengünstigere Jagden fanden seitdem statt, die mit dem gesellschaftlichen Wandel und dem öffentlichen Ansehen der Jagden einhergingen. Ansitz- und Drückjagden, in der Regel ohne größeren Prunk, hielten im Moritzburger »Alten Thiergarten« regelmäßig Einzug.

Der »Alte Thiergarten« galt im 19. Jahrhundert als beschauliche Bühne von Staatsjagden: 1806 jagte König Friedrich I. zusammen mit Napoleon, 1812 Kaiser Franz I. von Österreich mit Napoleon I., dann auch der König von Westfalen und Großherzog Ferdinand von Würzburg, Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, 1892 Kaiser Wilhelm II. und 1908 der König von Spanien. Mit der Abdankung des letzten sächsischen Königs 1918 gingen die großen Zeiten Wettinischer Jagden im Moritzburger »Alten Thiergarten« endgültig zu Ende.

Die barocken Parforcejagden unter August dem Starken samt zugehörig traumhaften Festen des 18. Jahrhunderts verliehen dem Ort Moritzburg damals den Beinamen »Insula fortunata«, was »Die glückliche Insel« bedeutet. Moritzburg war dadurch in ganz Europa bekannt geworden. Im 19. Jahrhundert wurde Moritzburg auch als das »Wiegenland der deutschen Jägerei« bezeichnet. Kein anderer Ort in Deutschland hatte die Deutsche Jagd so tiefgreifend geprägt und ruhmreich befördert wie Moritzburg. Jägern und Forstleuten kam dabei 250 Jahre eine entscheidende Stellung als Träger des Kulturguts Jagd zu.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde 1958 das Wildgehege Moritzburg neu begründet. Seitdem wird es von der Forstverwaltung betreut. Heute gehört das Wildgehege zum Forstbezirk Dresden im Staatsbetrieb Sachsenforst.

Als Sondereinrichtung für Öffentlichkeitsarbeit ist das Wildgehege neben Schloss Moritzburg und dem Landgestüt der dritte touristische Leistungsträger in der Region mit außerordentlichem Potenzial in Waldpädagogik und Umweltbildung.

Die Besucher können auf 43 Hektar z.B. Rot- und Damhirsche, Wildpferde, Mufflons, Rehe, Sikawild, Luchse, Wölfe und Wildkatzen im Wald entspannt beobachten.

Hubertushirsch im Wildgehege

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